Wenn man sich in meinem Bastelkeller umsähe, dann würde man vermutlich schnell eine gewisse Vorliebe für alte Elektronikgeräte und insbesondere auch alte HiFi-Technik erkennen.
Nun stößt mit einem kurbelbetriebenen Koffergrammophon ein komplett elektronikfreier Neuzugang zu dieser Sammlung, bei dem die Attribuierung "alt" ebenso untertrieben, wie "HiFi" übertrieben wäre:
Ein Koffergrammophon und sein MP3-Ururenkel auf dem Picknicktisch
Schon oft war ich auf Flohmärkten angefixt, wenn da wieder ein altes Grammophon mit schönem Außentrichter zu bestaunen war.
Nur leider staunt man dann auch über die Preise. Und so schön es auch aussieht, handlich-klein ist so ein Musikmöbel ja auch nicht gerade...
Aber heute kam ich für schmales Geld an einem kleinen Koffergrammophon vorbei. Ja, schon klar - das ist kein Vergleich zu einem opulenten 20er-Jahre-Trichtergrammophon. Aber so als Einstiegsgerät reicht es. Und auch an sich hat es durchaus was, finde ich.
Denn vor rund hundert Jahren waren Koffergrammophone sogar sehr beliebt, gerade bei jungen Leuten, die sie beispielsweise zum Picknick auf die grüne Wiese mitgenommen hatten.
Kann man sich heute kaum mehr vorstellen, wie das war. Und wenn man so die technische Entwicklung von Grammophon über Plattenspieler, Kassettenplayer, CD-Player und MP3 bedenkt, dann ist dieses Gerät quasi der Ururgroßvater des kleinen MP3-Player unten links im Bild, der mit seinen über zwanzig Jahren selbst schon so alt ist, dass die Smartphone-Jugend von heute auch ihn schon nicht mehr kennt.
Leider weiß ich nicht, aus welchem Jahr dieses Grammophon stammt. Ein Typenschild sucht man vergebens und nicht mal ein Herstellerlogo ist zu sehen.
Es gibt zwar ein Label im Innenraum, aber die Substanzen aus dem Kleber, mit dem es fixiert wurde, haben es im Laufe der Jahrzehnte unlesbar gemacht. Mit Infrarotlicht konnte ich dann zwar eine Nummer erkennen, aber hilfreich zur Identifizierung ist das auch nicht:
Einblick in den Innenraum. Das vermeintliche Typenlabel offenbart unter Infrarotlicht nur eine Nummer.
Wer zufällig weiß, was genau das für ein Koffergrammophon ist, der melde sich gerne über's Kontaktformular.
Abgesehen davon, dass natürlich die Zeit ihre Spuren hinterlassen hat, fehlt dem Gerät übrigens nichts. Die Soundqualität ist freilich technisch und altersbedingt limitiert, aber die Nebengeräusche, das Kratzen und Eiern der urigen Mechanik - das alles hat einen Charme, den man sonst einfach nicht mehr findet:
Hörprobe aus "Die Mühle im Schwarzwald" von Richard Eilenberg (1848-1927), aufgenommen von o.g. Grammophon:
Groß, laut, schwer - Musik zum Mitnehmen von damals
Dass Musikhören bei Jugendlichen auch heute noch einen ganz großen Stellenwert genießt, kann ich jederzeit bei meinen eigenen Kindern sehen. Aber es ist schon beachtlich, wie sich gegenüber früher mit der Technik auch die Bedeutungen gewandelt haben.
Ob Downloaden und Abspielen per Klick oder gleich direkt online streamen - mit mp3 und Spotify sind Besorgung und Besitz von Musik zwar viel einfacher, aber auch völlig reizlos geworden. Und Anfassen kann man Digitales auch nicht mehr.
Nicht zuletzt daher habe ich mir ein kleines Faible für Kassettendecks, CD-Player und Plattenspieler bewahrt und neulich diese schöne Rarität aus vergangenen Zeiten bei eBay erbeutet:Ein Havauxes STPR 4000. Ein Relikt aus der Zeit, als Musikgeräte noch klobig und kantig waren.
In den 80ern und bis in die 90er prägten laute, große Ghettoblaster manches Straßenbild. Wie der Name schon andeutet, nicht unbedingt in den besten Adressen der Stadt. Da standen dann die großen Jungs an der Ecke und beschallten alle die es hören wollten oder nicht mit ihrer Musik. Je lauter, je wuchtiger und je mehr Blingbling, umso besser.
Für uns Kids war natürlich allein das schon faszinierend. Auch überhaupt Musik einfach so irgendwo hin mitnehmen und dann im Park, am Baggersee oder wo auch immer zusammen mit Freunden zu hören war cool und klang nach großer Freiheit.
Gut, das gibt es heute auch wieder - dann stellen die Teenies ihre Handys auf Maximum oder haben Bluetooth-Lautsprecher in der Größenordnung einer Cola-Dose mit. Da das bauartbedingt natürlich nicht anders als bescheiden klingen kann, werden alle Umstehenden im Gegensatz zu damals nicht nur mit fragwürdigem Musikgeschmack beglückt, sondern jetzt auch noch mit fragwürdiger Audioqualität.
Da hatte der Ghettoblaster offen gesagt technisch einfach mehr Klasse.
Apropos technisch klasse, der Grund mir genau dieses Stück Musikhistorie anzuschaffen ist erst auf den zweiten Blick zu sehen: er hat einen integrierten Plattenspieler!
Glaubt ihr nicht? Dann guckt mal:
Eingeklappt und transportbereit ...... und ausgeklapptDas, liebe Kinder, das ist richtig cool. Damit ist man der große Player an der Playa. Oder wie auch immer man heute so sagt.
Ich habe das gute Stück gereinigt, vom Staub der Zeit befreit und die Mechanik frisch geölt. Alles funktioniert jetzt wieder. Damit es auch wieder so gut wie früher läuft, muss ich noch die Antriebsriemen von Plattenspieler und Kassettenlaufwerk auswechseln. Das allerdings könnte schwierig werden, denn Ersatzteile sind nach fast 40 Jahren natürlich nicht mehr ohne Weiteres zu bekommen. Aber das kenne ich ja schon vom Wohnmobil.
Ich habe die Antriebsriemen ausgewechselt und mal ein Reparatur-Tutorial daraus gemacht.