Kategorie POLITIK, GESELLSCHAFT


Künstlicher Irrsinn

Donnerstagabend am Küchentisch. Klagend erzählt mir unser Gast-Teenager von seinem ganzen Leid. Ein Buch sollen sie für die Englischprüfung lesen. Kapitel 1-9 und 11. Irgend ein Roman. "Ja, ok.", sage ich nickend und erwarte die Erläuterung, was denn nun das Problem sein soll. "Ja nix ok! Ich lese doch kein Buch!" empört er sich. Ich überlege, was ich dafür geben würde, mich einfach mal wieder ein paar Stunden ungestört auf dem Sofa in einen Wälzer zu vertiefen. Und darüber, warum ich im Alltag eigentlich nie Zeit dafür finde. Der bibliophobe Heranwachsende kommt derweil auf den Einfall "Ich lese einfach nur das Inhaltsverzeichnis". "Das wird wohl nicht reichen, um anschließend darüber einen Aufsatz schreiben zu können", gebe ich zu Bedenken. "Dann frage ich halt ChatGPT, was in dem Buch steht!" Grundgütiger! Das ist dann wohl die Generation der sogenannten digital na(t)ive. Aber innerlich muss ich schmunzeln. Welche Wege doch mancher einschlägt, um bloß nicht einmal für 5ct selbst nachdenken zu müssen. "ChatGPT ist keine verlässliche Quelle für irgendeine Art von Information", wende ich ein und der Teenager sieht mich verständnislos an. Ok, mein Fehler - mit solchen Begriffen weiß er offensichtlich nichts anzufangen. Dunkel erinnere ich mich an einen Artikel zu diesem KI-Chatbot, den ich kürzlich gelesen hatte und komme auf eine Idee. "Pass mal auf.", sage ich, "Lass dir von ChatGPT mal die Zusammenfassung von einem Buch geben, welches nie geschrieben wurde, von einem Autor, der nie gelebt hat, und er wird dir absolut überzeugt trotzdem irgendwas Tolles dazu erzählen." Nun mischt sich ein mitleidiger Ausdruck in seine Mimik. Der alte Mann hat ja gar keinen Plan mehr.
KI-generiertes Bild
Ich beim Schreiben meines Werkes
"Der Heilige Geist", 1884
(ein KI-generiertes Bild)
Darüber, ob es wohl tatsächlich sein kann, dass eine künstliche Intelligenz etwas anderes als die reine Wahrheit sagt, entspinnt sich eine kleine Diskussion zwischen uns. Schließlich machen wir die Probe auf's Exempel. Er fährt seinen Laptop hoch, ruft ChatGPT auf und ich diktiere: "Schreibe deine Meinung zu dem 1884 erschienenem Buch "Der Heilige Geist" von Philipp Bank." Und ChatPGT legt los. Erzählt uns, dass "Der Heilige Geist" als "wichtiges Werk der Theologie und des Christentums betrachtet wird". Auf Nachfrage bekommen wir sogar ein komplett herbeihalluziniertes Inhaltsverzeichnis. Ich diktiere weiter: "Erzähle mir mehr über das Wirken von Philipp Bank in der katholischen Kirche im ausgehenden 19. Jahrhundert." ChatGPT berichtet uns, dass ich (1847-1906) lebte, Theologe und Priester der Benediktiner war und es sogar bis zum Abt im Kloster Laach gebracht habe. Na da kann ich doch stolz auf mich sein, oder? Oh, und außerdem war ich ein "wichtiger Vertreter des katholischen Traditionalismus in Deutschland". Das klingt doch genau nach mir, nicht wahr? Ich bin köstlich amüsiert. Es ist als würde man sich mit dem Baron von Münchhausen unterhalten! Natürlich gab es nie einen Philipp Bank, welcher ein solches Buch geschrieben hat. Ein Kloster Laach wenigstens gibt es tatsächlich - aber wenig überraschend war dort nie ein Namensvetter von mir Abt. Auf Nachfrage, welche Quellen denn ChatGPT verwendet hat, listet der Chatbot mein niemals existierendes Buch auf sowie weiteren Unsinn, welcher auf den flüchtigen ersten Blick seriös aussieht, aber sich alles als zusammenhanglos oder ebenfalls nicht existent herausstellt. Die nonchalante Dreistigkeit ist schon beeindruckend. Schließlich konfrontiere ich ChatGPT damit, dass es das Buch "Der Heilige Geist" nie gegeben hat. Der Chatbot entschuldigt sich prompt für seinen Fehler. Auch eine künstliche Intelligenz sei nicht fehlerfrei und schließlich könne auch mal ein Datenbankfehler auftreten. Ach arme KI - Irren ist wohl nicht nur menschlich. Doch noch während wir das lesen, schiebt er hinterher: "Philipp Bank hat jedoch tatsächlich ein Buch mit dem Titel "Christkatholische Dogmatik" verfasst, das 1884 veröffentlicht wurde." Während ich mich vor Lachen kaum mehr halten kann, wird unser Teenie auf einmal sehr still. Da hat jemand heute wohl etwas Wichtiges für's Leben gelernt.

Mit der Gesundheitskarte im Radio

Das Thema eGK ist für mich eigentlich ziemlich over and out, aber da ich hier aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen als Experte auf dem Gebiet gelte, haben Fuzzle und Wuschel mich für das Chaosradio über technische Hintergründe, Datenschutz und Probleme mit der elektronischen Gesundheitskarte interviewed. Lief am 28.3. auf Radio Dreyeckland, oder hier zum Nachhören: Chaosradio - elektronische Gesundheitskarte (ab ca: 17:20).

Cyberpanik!!!

Beim Surfen im Internet stellt fast jede zweite Website ein Sicherheitsrisiko dar. ALARM ALARM!!1! Bitte bleiben Sie zuhause und schließen Sie alle Fenster! E-Mails sollten im Web-Browser gelesen werden, der Nutzer sollte dort die integrierten Vorschaumodule des Anbieters verwenden. Na klar ihr Spezialisten. Das macht es dann bestimmt supersicher. Quelle: Menlo Security "State of the Web"-Bericht via Heise.

Faktencheck der Woche

Wie hält es unsere geliebte Bundesregierung eigentlich im Allgemeinen so mit den politischen und gesellschaftlichen Schwerpunkten? Hören wir doch mal kurz in die Jahrestagung zur nachhaltigen Entwicklung:
"Dazu gehört natürlich der Kampf gegen Armut, gegen Hunger, gegen Diskriminierung von Frauen. Dazu gehört Bildung für alle, der Schutz des Klimas und der Biodiversität, mehr Engagement für Frieden und Rechtsstaatlichkeit, um nur ein paar Beispiele zu nennen."
Hui, klingt das wieder toll! Machen wir doch mal einen kleinen Realitätsabgleich und lassen uns das als Zahlen geben:
Bundeshaushalt 2016
Bild: Screenshot/Montage, via bundeshaushalt-info.de
Ah ja, wirklich sehr zukunftsweisend. Mehr Ausgaben für Waffen und Soldaten als für Bildung, Forschung, Familien und Umweltschutz zusammen - also, das muss dann wohl zu dieser besagten, tollen, nachhaltigen Politik gehören. Liegt ja auch voll im Trend, wenn man sich die Militärausgaben weltweit so ansieht. Na, da geht man doch gleich viel unbesorgter einer rosigen Zukunft entgegen.

Wer sich wundert, was dieser ganz fette grüne Brocken im Bundeshaushalt ist: Das ist zum größten Teil die ganz sicher ausreichende Rentenrücklage für euer zukünftiges würdevolles Restleben. In Altersarmut. Mit 67 dann. Oder 73. Oder vielleicht auch gar nie. Und zum kleineren Teil die total großzügigen Harz4-Gelder für diejenigen, die schon vorher so leben dürfen.