Faszination Röhrenradio

Blick über die beleuchtete Frequenzskala eines alten RöhrenradiosDas das warme Licht der Skala, bedeutsam mit Städtenamen der halben Welt beschriftet, das leise Knistern aus dem Lautsprecher, geheimnisvolle Schalter und Regler, umgeben von dunklem polierten Holz, reich verziert mit geschwungenen Zierleisten und Intarsien - was strahlt so ein altes Radio nicht für eine mystische Pracht und Würde aus! Jedes einzelne Detail wirkt, als spräche das Radio nicht nur zu den Ohren, sondern direkt zur Seele. Fast scheint es, als flüstere es eine Einladung, an all seinen Knöpfen zu spielen und zu drehen. So in etwa muss man sich die Wirkung vorstellen, die es vor langer Zeit auf einen kleinen Lausbub hatte, wenn er Oma und Opa besuchen kam und da so ein Röhrenradio im Wohnzimmer stand. Diese Faszination sollte bis heute ununterbrochen bleiben und so kommt es, dass ich mir neulich ein altes Röhrenradio über Kleinanzeigen zugelegt habe. Ein Graetz Musica 517 aus dem Jahr 1957:
Graetz Musica 517
Und obgleich fast 70 Jahre alt, funktionierte auf Anhieb noch jede Funktion. Mit viel Rauschen und gedämpftem Ton zwar, aber es funktionierte. Welches technische Gerät aus Baujahr 2025 wird wohl in 70 Jahren noch so treu und tapfer seinen Dienst tun? E-Autos, Computer, Smartphones etwa? Oder die Waschmaschine? Der Kühlschrank? Sicherlich nichts davon. Dieses Stück Technikgeschichte aus der Adenauer-Ära aber könnte all das noch überdauern. Und damit dies sicher gelingt, habe ich alle alten Elektrolytkondensatoren ausgetauscht. Damals wurden, dem Stand der Technik entsprechend, noch Papierkondensatoren verwendet, die gegen Feuchtigkeit mit Teer versiegelt waren. Im Lauf der Zeit wird der Teer hart und spröde, die Kondensatoren ziehen Feuchtigkeit und weichen von ihren Sollwerten ab. Zudem sinkt ihr Gleichstromwiderstand und dann könnte es sowohl für die Elektronik des Radios als auch für seine ganze Umgebung brandgefährlich werden. Darum sollte man niemals ein Röhrenradio vom Flohmarkt oder Dachboden/Keller in Betrieb nehmen - geschweige denn unbeaufsichtigt laufen lassen. Außer zum ganz kurz mal am Trenntrafo testen.
Papierkondensatoren aus einem Röhrenradio
Alte Kondensatoren aus dem Radio. Kein einziger entsprach noch der aufgedruckten Kapazität.
Obwohl es eigentlich nicht viele Kondensatoren waren, war ich mit der Austauschaktion einen ganzen Tag beschäftigt, denn die Zugänglichkeit bei der "Freiluftverdrahtung" ist arg eingeschränkt und man muss stets penibel darauf achten, im ganzen Chaos nicht durch Umbiegen von Drähten irgendwo einen Kurzschluss zu verursachen:
Blick in das Innenleben eines Röhrenradios mit freiliegendem Verdrahtungschaos
Und wenn man das Radio ohnehin zur Überholung öffnet, bietet sich außerdem die Gelegenheit, den Staub der Jahrzehnte gründlich zu entfernen.
Blick in das Innenleben eines Röhrenradios mit Staub auf Drehkondensator und Elektronik
So sah es vorher im Radio aus.
Nun, da das gute Teil wieder glänzte wie in alten Zeiten und nicht mehr drohte, sich spontan in Brand zu setzen, habe ich noch ein kleines Extra aus dem 21. Jahrhundert eingebaut: einen Bluetooth-Empfänger am Plattenspielereingang. Ein - zugegeben - schrecklich popeliges Noname-China-Teil, so eines, welches beim Einschalten seine Bereitschaft in allerfeinstem Oxford-English herumplärrt ("Se bluetoos devais is rädy to päär"). 😅 Der absolute Gegensatz also bezüglich Wertigkeit, Machart und Charme und ein Stilbruch ohnegleichen, aber von außen sieht man davon nichts und so kann man nun immerhin vom Handy oder PC aus Musik auf das Röhrenradio streamen. Und jetzt schimmert, glüht und tönt sie wieder, die Musica.
Graetz Musica 517 eingeschaltet

Nixdorf-Computermuseum

Kürzlich war ich in Paderborn im Nixdorf-Computermuseum. Das wird jetzt ein sehr bildlastiger Artikel, darum erst mal Fotos und dann ein paar weise Worte zum Schluss:
Früher Sitz der Nixdorf-Hauptverwaltung, ist das Museumsgebäude heute fast schon selbst eine Attraktion.
Die Ausstellung beginnt mit einer Entwicklung der Schrift und Mathematik seit der Antike und geht über in einen Bereich mit den ersten mechanischen Maschinen.
Erste Schreibmaschine "Typographer" von William Burt aus 1829 (Nachbau).
Links eine der ersten elektrischen Schreibmaschinen, rechts eine Schreibmaschine von Sholes & Glidden. Damit sich die Typen (Buchstabenstempel) beim schnellen Tippen nicht miteinander verhaken, legte man die oft nebeneinander in Wörtern vorkommenden Buchstaben auf der Tastatur weit auseinander - so entstand das QWERTY-Layout, welches bis heute an Computertastaturen zu finden ist.
Die ersten Diktiergeräte, wie dieses Dictaphone, kamen in den 1890ern in amerikanischen Büros auf. In den Trichter gesprochener Schall wurde auf eine rotierende Wachsrolle eingeritzt und vom Fräulein im Vorzimmer von einem Abspielgerät anschließend wieder abgespielt und als Text auf Schreibmaschine abgetippt.
Nachbau eines Telefons von Philipp Reis aus 1863.
An solchen Klappenschränken saßen die Fräulein vom Amt, nahmen Anrufe entgegen und vermittelten durch Zusammenstecken der Leitungen zum anzurufenden Teilnehmer. Später dann setzten sich Selbstwählvorrichtungen wie die Wählscheibe an diesem W48-Nachkriegstelefon durch. Lustigerweise habe ich selbst auch ein W48 hier auf meinem Schreibtisch. Noch komplett funktionsbereit und angeschlossen an der Fritzbox. Und wenn mir danach ist, dann telefoniere ich damit auch gerne mal noch.
Eine spannende Entwicklung von der ersten Elektrodenröhre über den ersten Transistor zum ersten integrierten Schaltkreis und bis zum ersten Intel-Mikroprozessor 4004.
Der Arbeitsplatz einer Platinenbestückerin in den 70ern bei Nixdorf.
Nachstellung eines typischen Rechenzentrums jener Zeit.
Was mir bisher gar nicht bekannt war: Nixdorf hatte schon 1984 die Idee zu einem E-Bike. Dieses wurde von den Ingenieuren daraufhin auf Basis eines handelsüblichen Damenrads entwickelt, kam aber aufgrund des Tods des Unternehmers 1986 nie zur Marktreife.
Im 2. OG befindet sich auch eine Ausstellung zur Entwicklung der Robotik. Mit mal mehr, mal weniger unheimlichen Gestalten.
Die Zuse Z11 aus 1958 war ein programmgesteuerter Relaisrechner für vielfältige mathematische Berechnungen. Mal ein paar Daten als Vergleich zu heutigen Computern: 800kg Gewicht, 2000W elektrische Leistung, rund 120.000 DM Verkaufspreis und ca. 10..20 Hz Taktfrequenz. Wohlgemerkt Hertz, nicht Gigahertz oder Megahertz!
Und wo wir gerade bei Vergleichen sind: das kupferfarbene Ding hier in der Bildmitte hat die Ausmaße einer Waschmaschinentrommel, wurde auch Trommelspeicher genannt und war die "Festplatte" einer Univac 490 aus 1961. Mit ganzen 1,25 MB. Also knapp das, was auf eine einzelne 💾-Diskette passt.
Schon etwas fortschrittlicher wirkt da dieser NASA-Computer aus der GEMINI-2-Mission aus 1965, welcher für zielgenaues Manövrieren der Raumkapsel zuständig war.
Dieses IBM Modell 5150, gehört zu den jüngsten Museumsexponaten aus der Geschichte der Personal Computer.
Reichlich kurios mutet heute das Datenklo an. Ein Eigenbau-Telefonmodem nach Bauanleitung des Chaos Computer Clubs.
Impressionen aus dem Museum.
Die Art der Ausstellung sowie die gezeigten Exponate im Museum gefielen mir recht gut, auch wenn man wenig geleitet wird und sich selbst seinen Rundgang finden muss. Dadurch drängen sich aber auch nie viele Besucher an einzelnen Stellen. Das Gebäude ist riesig - nicht ohne Grund nennt es sich das größte Computermuseum der Welt - aber es wird auch viel Platz offen gelassen. Die Dichte an Ausstellungsstücken ist folglich nicht überfordernd und man kommt mit einem halben Tag gut durch das ganze Museum. Was ich vermisst habe, ist die jüngere Geschichte der Computer bis heute. Die Ausstellung endet quasi in den 80ern was die Computerentwicklung belangt und es schien mir, als ob das Museum den Siegeszug der PCs genauso verkannt hat, wie damals Heinz Nixdorf. Letzteres führte seinerzeit in Konsequenz schließlich zum Niedergang des Unternehmens. Dem Museum wünsche ich eine glücklichere Zukunft, denn es ist ein lehrreicher und spannender Ausflug für jeden Technikinteressierten.

Musik antik

Wenn man sich in meinem Bastelkeller umsähe, dann würde man vermutlich schnell eine gewisse Vorliebe für alte Elektronikgeräte und insbesondere auch alte HiFi-Technik erkennen. Nun stößt mit einem kurbelbetriebenen Koffergrammophon ein komplett elektronikfreier Neuzugang zu dieser Sammlung, bei dem die At­tri­bu­ie­rung "alt" ebenso untertrieben, wie "HiFi" übertrieben wäre:
Koffergrammophon
Ein Koffergrammophon und sein MP3-Ururenkel auf dem Picknicktisch
Schon oft war ich auf Flohmärkten angefixt, wenn da wieder ein altes Grammophon mit schönem Außentrichter zu bestaunen war. Nur leider staunt man dann auch über die Preise. Und so schön es auch aussieht, handlich-klein ist so ein Musikmöbel ja auch nicht gerade... Aber heute kam ich für schmales Geld an einem kleinen Koffergrammophon vorbei. Ja, schon klar - das ist kein Vergleich zu einem opulenten 20er-Jahre-Trichtergrammophon. Aber so als Einstiegsgerät reicht es. Und auch an sich hat es durchaus was, finde ich. Denn vor rund hundert Jahren waren Koffergrammophone sogar sehr beliebt, gerade bei jungen Leuten, die sie beispielsweise zum Picknick auf die grüne Wiese mitgenommen hatten. Kann man sich heute kaum mehr vorstellen, wie das war. Und wenn man so die technische Entwicklung von Grammophon über Plattenspieler, Kassettenplayer, CD-Player und MP3 bedenkt, dann ist dieses Gerät quasi der Ururgroßvater des kleinen MP3-Player unten links im Bild, der mit seinen über zwanzig Jahren selbst schon so alt ist, dass die Smartphone-Jugend von heute auch ihn schon nicht mehr kennt. Leider weiß ich nicht, aus welchem Jahr dieses Grammophon stammt. Ein Typenschild sucht man vergebens und nicht mal ein Herstellerlogo ist zu sehen. Es gibt zwar ein Label im Innenraum, aber die Substanzen aus dem Kleber, mit dem es fixiert wurde, haben es im Laufe der Jahrzehnte unlesbar gemacht. Mit Infrarotlicht konnte ich dann zwar eine Nummer erkennen, aber hilfreich zur Identifizierung ist das auch nicht:
Unleserliches LabelLabel unter Infrarotlich
Einblick in den Innenraum. Das vermeintliche Typenlabel offenbart unter Infrarotlicht nur eine Nummer.
Wer zufällig weiß, was genau das für ein Koffergrammophon ist, der melde sich gerne über's Kontaktformular. Abgesehen davon, dass natürlich die Zeit ihre Spuren hinterlassen hat, fehlt dem Gerät übrigens nichts. Die Soundqualität ist freilich technisch und altersbedingt limitiert, aber die Nebengeräusche, das Kratzen und Eiern der urigen Mechanik - das alles hat einen Charme, den man sonst einfach nicht mehr findet:
Ellenberg: Die Mühle im Schwarzwald
Hörprobe aus "Die Mühle im Schwarzwald" von Richard Eilenberg (1848-1927), aufgenommen von o.g. Grammophon:

Aus zwei mach eins: Panasonic NV-M40 VHS-Kamera

Der aktuellste Technik-Patient auf meinem Werktisch ist eine VHS-Videokamera aus 1992, ein stattliches Dickschiff feinster Vintage-Hardware zum sich auf die Schulter wuchten und dann richtig (semi-)professionell filmen.
Panasonic NV-M40
VHS-Analog-Technik aus vergangenen Zeiten: Panasonic NV-M40

Panasonic NV-M40
Kein billiger Compact-Camcorder-Quatsch sondern zur Aufnahme direkt auf normalgroße VHS-Kassetten
Äußerlich zwar in hervorragendem Zustand und scheinbar intakt, krankte die Kamera jedoch leider daran, dass sie sich bei jedem Versuch eine VHS-Kassette aufzunehmen oder abzuspielen nach wenigen Sekunden abgeschaltet hat. Eigentlich deutet das nicht auf großes Drama hin, sondern auf die üblichen Wehwehchen mit ausgeleierten Antriebgummis, Spannfedern oder verstaubten Sensoren. Aber trotz ausgiebiger Fehlersuche konnte ich bis heute partout nicht herausfinden was das Problem war. 🤔
Panasonic NV-M40
Die Mechanik für den Kassetten-Teil
Manchmal ist so ein Fall dann auch ok für mich - wenn ich aufgeschraubt habe und gesehen habe, wie sowas innen aussieht und wie gemacht wurde, dann bin ich eventuell schon gut unterhalten worden und zufrieden. Aber hier war ich dann mittlerweile doch angefixt, die Kamera auch mal zu nutzen - zumal mir erst unlängst ein alter VHS-Recorder aufgeschwatzt wurde (welcher sich ebenfalls als kaputt herausgestellt hat und von mir erstmal repariert werden wollte... 🙈). Also suchte ich auf eBay nach einem Ersatzgerät - und fand eine baugleiche Kamera, welche dann mit ganz anderen Macken aufwartete: Zoom geht nicht, Viewfinder-Monitor gebrochen, kein Licht. Also auch nicht gerade filmreif. Aber trotzdem die Lösung. Denn gerade diese Teile aus Kamera #1 gingen noch und waren ja bereits zwecks Fehlersuche abmontiert oder freigelegt. Die Organspende von Kamera #1 zu Kamera #2 lief folglich fix und ohne Komplikationen ab und nach a bisserl Schraubarbeit konnte ich die kombinierte Kamera erfolgreich testen: Aufnahme, Wiedergabe, Sucher, Licht - alles wieder piccobello.
Panasonic NV-M40
Und das bleibt übrig: eine Kiste Ersatzteile, falls irgendwann wieder irgendeine Funktion ausfällt
Die ursprüngliche Kamera, deren Fehler ich nie ganz nachvollziehen konnte, ist nun endgültig ausgeschlachtet. Schade, aber wenigstens lebt die andere dadurch weiter und ist jetzt bereit für ihren ersten Dreh. Insofern ist das letztendlich vielleicht doch eine positive Bilanz.