Ersten selbstgekauften PC reanimiert
So um 1990/91 hatte mein bester Schulfreund von seinem Vater einen ausgedienten Computer zum Bespielen bekommen. Einen Olivetti M19: ein italienischer IBM-PC-Klon aus dem Jahr 1986 mit 4,77 MHz 8088-Prozessor und einem 12" Grünmonitor.
(Für unsere jüngeren Blogleser hier: ein Grünmonitor ist ein Bildschirm, der genau eine Farbe darstellen kann: Grün)
Technisch war die Kiste da bereits etwas überholt. Und spieletauglich war das mit dem Monochrommonitor auch nicht so wirklich.
Aber man konnte darauf mit Basic programmieren und oft saßen wir zusammen im Kellerzimmer und ich hab zugesehen, wie mein Kumpel seine ersten Schritte mit
print
und goto
machte, um das Gleiche dann später daheim am heimischen Familien-PC selbst zu probieren.
Und Junge, war das eine neue tolle Welt, die sich da mit dem Programmieren auftat!
Unser Familien-PC hatte sogar schon einen Farbmonitor und war deutlich leistungsstärker, aber hatte einen Haken: damit der Junge nicht nur die ganze Zeit vor der Kiste sitzt, war mein Zugang dazu zeitlich sehr begrenzt. 😒
Zumindest immer dann, wenn Eltern im Hause anwesend waren. 😉
Da Computer aber so eine immense Faszination auf mich ausübten und ich schließlich damit überzeugen konnte, ja auch sinnvoll damit Hausaufgaben schreiben und spielerisch Lernen zu können, bekam ich nach langem Bitten irgendwann auch meinen ersten eigenen Rechner, einen IBM 286er, nachdem der Familien-PC durch einen flotten 486er abgelöst wurde - also irgendwann um 1992.
Und damit ging's dann richtig ab! Sowohl mit dem Daddeln, als auch mit dem Programmieren in QBasic und Turbo Pascal.
Mein Schulfreund hatte zwischenzeitlich ebenfalls aufgerüstet und keinen Bedarf mehr für seinen alten Olivetti M19. Auf meine Frage, was er denn nun damit macht, bot er ihn mir für 50 Mark zum Kauf an.
Zwar hatte ich ja nun gerade erst einen mehr als doppelt so schnellen 286er und daher eigentlich auch keinen Bedarf; zudem waren 50,- nun für mich damals auch keine unerhebliche Summe. Aber das Habenwollen war auch damals schon stark in mir. 🤣
Also ging der M19 als mein erster selbstgekaufter PC in meinen Besitz über. Viel genutzt hatte ich ihn gleichwohl nicht.
Ewigkeiten vergingen, in denen der M19 irgendwo im Keller verstaubte und nur zu Umzügen mal bewegt wurde.
Bis ich letztes Jahr mal davor stand und mir dachte "Lass mal einschalten".
Tja. Das gute alte Stück machte hörbare Laufwerksgeräusche, aber mehr Lebenszeichen waren nicht zu entlocken und der Bildschirm blieb schwarz.
Also habe ich mal einen Blick unter die Motorhaube geworfen und wurde natürlich prompt vom Staub der Jahrzehnte begrüßt:
Schritt #1 war also erstmal alles auseinanderzunehmen und Schritt #2 gründlich mit Druckluft, Pinsel und Isopropanol vom Dreck zu befreien.
Saubermachen allein löst aber keine Elektronikprobleme und Dreck allein ist keine Erklärung dafür, dass der Monitor schwarz bleibt.
Beim Olivetti M19 haben nicht Monitor und Rechner je ein eigenes Netzteil, sondern der Rechner wird vom Monitor über ein spezielles Kabel mit Niederspannung versorgt. Oder kurz gesagt: ohne genau diesen Monitor lässt sich der Rechner nicht betreiben.
Der Grund für diese Zwangssymbiose war nicht etwa Platzmangel im Rechnergehäuse, sondern der Umstand, dass der Rechner keine hohe Bildwiederholfrequenz schafft. Um unangenehmes Flimmern zu vermeiden hat man dies mit einer extrem lang nachleuchtenden Phosphorschicht des M19-Monitors vertuscht.
Es blieb mir also nichts anderes übrig, als auch den Monitor aufzuschrauben, um dem Problem auf den Grund zu gehen.
An Röhrenmonitoren herumschrauben ist etwas, dass ich tunlichst versuche zu vermeiden, seit ich als Jugendlicher mal an einem Fernseher so heftig einen geschossen bekommen hatte, dass ich wie in einem Comicfilm rückwärts quer durch den Raum flog. ⚡⚡⚡
Entsprechend habe ich seither um Hochspannung meist einen großen Bogen gemacht und entsprechend reserviert schraubte ich nun das Monitorgehäuse auf. Dankenswerterweise ließ sich die Netzteilplatine zur Erzeugung der Niederspannungen aber unkompliziert abklemmen und zur weiteren Untersuchung herausnehmen.
Es ist eine eher übersichtliche einlagige Platine. Die Reparaturarbeiten beschränkten sich letzten Endes auf das Austauschen eines angerösteten Widerstands, eines Optokopplers und zur Sicherheit aller alten Elkos.
Trotzdem: das Fehlerbild blieb unverändert - der Bildschirm bleibt schwarz.😕
Somit geriet ein anderes Bauteil des Monitors in den Fokus: der Zeilentrafo.
Ich bin kein Fernsehelektriker, aber meines Wissen wäre dies das Ende der Geschichte, denn erstens bräuchte man den exakt gleichen Typ Zeilentrafo als Ersatzteil (wird schwierig nach fast 40 Jahren) und zweitens wäre ich bei der Hochspannungselektrik eh raus wegen ⚡⚡⚡.
Der Rechner und sein Monitor wurden also wieder zugeschraubt und wanderten zurück in den Keller.
Hier wäre die Geschichte in der Tat zu Ende, wenn ich nicht kürzlich bei eBay-Italia auf einen anderen Olivetti M19 gestoßen wäre.
Allerdings mit genau der gleichen Fehlerbeschreibung: Non compare alcuna videata. - Der Bildschirm bleibt schwarz. 🤪
Einem unbekanntem Verkäufer im Ausland knapp 150,- zu überweisen, damit er einen kaputten(!) alten PC samt zerbrechlichem Röhrenmonitor über die Alpen schickt, in der Hoffnung aus zwei kaputten PCs irgendwie einen funktionierenden basteln zu können obwohl beide das gleiche Fehlerbild haben - das klingt nach einem dummen Glücksspiel, oder? Würde nur ein Bekloppter machen, oder?
Nun, da seid ihr hier richtig 😅 - aber was soll ich sagen:
Die Kombination aus meinem Rechner und dem Monitor vom italienischen Neuzugang ist lebensfähig! YES! 🤩
Obendrein waren bei meinem alten Rechner ein paar Plastikteile am Gehäuse im Lauf der Zeit gebrochen oder komplett verlustig gegangen, die ich nun ebenfalls ersetzen konnte, so dass der M19 jetzt wieder komplett in alter Pracht erstrahlt.
Nachdem sich die initiale Euphorie über diese gelungene Reanimation gesetzt hatte, stellt sich natürlich die Frage: was macht man jetzt anno 2024 mit einem bald vierzig Jahre alten PC?
Mit 4,77 MHz, 640 kB Arbeitsspeicher und 30 MB Festplatte? Geht da heute noch irgendwas Sinnvolles?
Nein.
Es war ein schönes Erfolgserlebnis, den alten Zeitgenossen wieder zum Laufen zu bringen, aber zweckdienlich nutzbar ist die Kiste heute natürlich nicht mehr. Und das ist auch ok so.
Der M19 bekommt einen Ehrenplatz im Regal und wird allenfalls sporadisch mal hochgefahren.
Aber er erinnert mich immer an die Zeit, als die Personal Computer die Welt eroberten und ich das Programmieren anfing. 😎