Von Plastikformen und fiesen Winzlingen

Heute sprechen wir mal über Joghurtbecher. Joghurtbecher werden durch Thermoformen, also Tiefziehen von Plastik, hergestellt. Das geht schnell, ist billig und lässt sich am laufenden Band produzieren. Allerdings würde wohl niemand von einem Joghurtbecher jahrzehntelange Stabilität und Dichtigkeit erwarten oder gar, die Unannehmlichkeiten eines größeren Wasserschadens abzuwenden. Erstaunlich also, dass Duschwannen, Waschbecken und Badmöbel im Wohnmobil oder Wohnwagen gemeinhin bis heute ebenfalls wie Joghurtbecher produziert werden. Teilweise selbst bei hochpreisigen Fahrzeugen. Nicht erstaunlich aber, dass irgendwann das Material versprödet und bricht. Meist zuerst entlang der Kanten und in den Ecken, wo das Material beim Tiefziehen ausdünnt. Nach 30 Jahren sieht die Joghurtbecherduschwanne aus meinem Wohnmobil jedenfalls nun so aus:
Duschwanne Wohnmobil Risse
Kurz kam mir zwar der Gedanke, das Bad einfach komplett neu zu gestalten und die Wanne auf den Schrott zu werfen. Aber es liegt ja auch ein gewisser Reiz darin, Kaputtes zu reparieren, vermeintlich Unrettbares zu zurückzuholen und ein bisschen den Glanz alter Zeiten wieder aufleben zu lassen. Also probieren wir es mal. Zunächst wird die Unterseite mit GFK versiegelt und verstärkt:
Duschwanne mit GFK
Dann folgt was jeder Modellbauer kennt (und hasst) - Spachteln, Schleifen, Spachteln, Schleifen und so fort... Zwischendurch mal grundieren, damit man sieht wo noch nachgebessert werden muss und anschließend mehrere dünne Schichten nass-in-nass lackieren:
Duschwanne mit GFKDuschwanne mit GFK
Ja, das sieht wieder gut aus. Man muss schon in die Wanne hineinkriechen um noch zu sehen, wo zuvor ein Loch klaffte. Apropos klaffende Löcher - ebenfalls ein kontrastreiches Vorher-Nachher-Bild gibt der aktuelle Zustand des Bads mit nun eingebauten Duschwannen ab:
HeckbereichBadezimmer
Knapp drei Wochen liegen zwischen "Oh shit" und "Oh schön"
Nachdem ich im hinteren Bereich des Bads auch die Wandverkleidung erneuert hatte, fand ich die alte und schon arg mitgenommene Tapete im vorderen Bereich nicht mehr passend und habe sie ebenfalls durch etwas ästhetisch Angemessenes ersetzt:
HeckbereichBadezimmer
Nun war eigentlich alles soweit fertig zum Abdichten der Fugen, da brachte ein abgebrochenes 1mm² kleines Metallteilchen in einem 50ct-Bauteil sämtliche weitere Arbeiten zum Erliegen:
Mikroschalter Duscharmatur
Dies ist der Mikroschalter, welcher in der Duscharmatur die Wasserpumpen startet und dem es beliebte sich eine winzige Metallnase abzubrechen (rot eingekreist im Bild), so dass die Feder, welche den Schalter wieder in Aus-Stellung bringt, herausfiel. Tja, und ohne Mikroschalter keine Duscharmatur. Und ohne Duscharmatur lässt sich auch das Abdichten nicht abschließen. Toll. Wenigstens gelang es den Schalter durch seinen Aufdruck als ein Marquardt Typ 1010 zu identifizieren, so dass ich mir Ersatz via eBay bestellen konnte. Und da ich mich von solch einem kleinen Zwerg nicht komplett ausbremsen lassen will, habe ich wenigstens zwischenzeitlich am Fußboden unter dem Heckbett weiter gemacht und bei der Gelegenheit auch neue Warmluftrohre verlegt:
Mikroschalter Duscharmatur
So langsam wird es wieder.

Wo Schweiß und Farbe fließen

Hier zuhause tagelang am Straßenrand mit einer Halbruine ohne Licht und Nummernschild herumstehen und daran herumwerkeln geht vermutlich nicht so gut. Also habe ich ein großes Brett über den maroden Boden im Wohnmobil geschraubt, die Stoßstange notdürftig befestigt, inständig gehofft, das mir das nicht gleich wieder alles in der ersten Kurve auseinanderfällt und bin mit meinem Katastrophenmobil zur Reparatur zu meinen Eltern gefahren und habe mich da auf den Hof gestellt - "bis es fertig ist". Große Vorhaben bewältigt man am besten mit großem Einsatzwillen. Und mit großer Unkenntnis über die zu erwartende Arbeit. Etwas noch mehr kaputt machen geht immer schnell und einfach und eignet sich daher optimal zum Projektstart, wenn noch nicht so ganz klar ist, womit man denn jetzt eigentlich anfangen soll. Obendrein sorgt es für ein anhaltendes Engagement, da man ja auch wieder heilen will, was man angerichtet hat. Daher habe ich als allererstes den kaputten Boden über die ganze Fahrzeugbreite sauber herausgetrennt.
Alter Boden im Heck raus
Dabei schneidet man natürlich auch einiges von gutem, trocken gebliebenen Boden weg, aber ich will ja später möglichst ebenso sauber und einfach arbeiten können und nicht irgendwelche Puzzleteile anfertigen müssen um alles wieder zu schließen. Nachdem der Boden soweit raus war, kam darunter die Heckstoßstange des Basisfahrzeugs hervor. Und jede Menge Rost. Wieder mal. Um den musste ich mich natürlich erst mal kümmern. Zum Teil sind das Stellen, da kommt ja sonst niemand mehr wieder dran.
Heckstoßstange Fiat Ducato
Basisfahrzeug-Heckstoßstange, hier bereits entrostet und grundiert
Das Entrosten, Hohlraumversiegeln, Grundieren und Lackieren der Stoßstange hat leider einen ganzen Tag ungeplanten Aufwand verursacht. Nicht gut für den Projektverlauf und die Motivation. Am besten man macht zum Ausgleich gleich wieder etwas noch mehr kaputt. - In diesem Fall das ohnehin schon zerlöcherte Blech am Heck. Dieses war so von Alufraß befallen und mit mehreren Schichten bekleistert mit Farbe, Dichtmasse, Silikon und etwas das sich wie abgelaufene Margarine anfühlte, dass ich kurzerhand die unteren 75cm tutti completti entfernt habe.
Campingplatz Kandern
Hier sieht man noch mal schön den Zustand vorher
Wohnmobil ohne Heck
Unten ohne und den Arsch offen
Da kommt direkt etwas Zelt-Feeling auf, wenn man mit offenem Heck im Wohnmobil übernachtet. Damit war der maximale Zerstörungsgrad erreicht. Ab nun ging es wieder aufwärts. Leider auch mit den Temperaturen. Ich habe mir für meine Aktion anscheinend ausgerechnet die heißeste Woche des Jahres ausgesucht. Aber hilft ja alles nix. Von alleine wird es nicht fertig. Also viel Trinken, viel Schwitzen, Ersatzklamotten im Kühlschrank lagern und einfach immer weiter machen. Erster Schritt in Richtung Neuaufbau: neuen Fußboden einbauen.
Wohnmobil ohne Heck
Die Holzteile hinten habe ich alle erst in Bootslack ertränkt und dann zusätzlich stellenweise mit Gummifarbe bestrichen
Die untere Platte des neuen Fußboden besteht aus Kunststoff. Wiegt leider gut 20kg mehr als die alte Furnierplatte, ist aber unverrottbar und wird nie Probleme mit Feuchtigkeit bekommen. Der Fußboden wird sodann wieder wie zuvor fachwerkartig mit Holz versteift und gedämmt.
Fußbodenaufbau
Statt Styropor nehme ich Styrodur. Das ist druckstabil, genauso leicht, und nimmt keine Feuchtigkeit auf und kann daher nicht unbemerkt vor sich hin gammeln.
Dieses Mosaik-Gefrickel hat allerdings auch fast einen ganzen Tag gebraucht. Da kann man sich leicht ausrechnen, dass so eine Boden/Wand-Reparatur am Wohnmobil in einer Werkstatt machen zu lassen schier unbezahlbar wäre. Da ich die ganze Woche von früh morgens bis zur Dämmerung um das Wohnmobil herumgebastelt habe, war dann noch genug Zeit bei der Gelegenheit ein neues Heckfenster einzubauen. Das Alte ist vom Glas her zwar eigentlich noch in Ordnung, aber der Fenstergummi ist nach fast 30 Jahren einfach fertig mit der Welt.
Loch für neues Fenster
Fußboden wieder begehbar und Loch für neues Fenster vorbereitet.
Beim neuen Heckfenster habe ich nicht gespart und ein recht gutes (und ziemlich teures) Ausstellfenster von Dometic verbaut. Im Gegensatz zum alten Fenster lässt es sich in jeder Stellung einfach wieder zu ziehen, statt - wie sonst üblich - es erst einmal ganz aufklappen zu müssen. - Das ist sehr sinnvoll, falls doch irgendwann wieder der original Fahrradträger ans Heck kommt und man deswegen das Fenster gar nicht mehr ganz ausklappen könnte.
Loch für neues Fenster
So sieht das schon wieder richtig gut aus!
Toll aussehen tut es ja. Wenn Wohnmobilfenster nicht so absurd teuer wären, würde ich die anderen Fenster auch gerne ersetzen. Nach einer Woche mit viel Arbeit bin ich jetzt überall voll mit Farbe, Epoxy und Dichtmasse, das Handy erkennt meinen Fingerabdruck nicht mehr und allmählich wünscht man sich dann irgendwann auch ein Ende der Schufterei. Daher habe ich den letzten Tag mit "leichter" Arbeit verbracht (bei 35 °C) und den Aufbau gestrichen.
Neuer Anstrich
Die Seitenteile unter dem Aufbau wollte ich ursprünglich schwarz wie die Heckstoßstange lackieren, aber jetzt gefällt mir der sandfarbene Ton der Grundierung so gut, dass ich überlege, ob es so nicht besser aussieht. Das Schöne am alten Wohnmobil ist ja, dass man es hemmungslos anmalen kann, wie man will. Ich muss mal mit den Kindern besprechen ob wir dem Ganzen nun ein Zebra-Safari-Look verpassen, einen Tigerentenanstrich oder was ganz anderes...

Ach je

Also die gute Nachricht ist: ich sehe jetzt klarer. Die weniger gute Nachricht ist: stellenweise sogar bis zur Straße runter.
HeckbereichBadezimmer
Aktueller Zustand von Schlafbereich und Badezimmer
Das Gammelholz im Bad habe ich soweit entfernt. Im Schlafbereich sieht es aber auch nicht besser aus. Die Vorbesitzer waren unfähige Idioten, die auf die feuchte Wand einfach großflächig ein Brett gespaxt haben, statt die Ursache zu beseitigen. "Was ich nicht mehr seh, ist nicht mehr da." Oder so ähnlich. So konnte das Wasser unbemerkt auch den Boden ruinieren. Unter dem Bett merkt man das ja nicht gleich. Wo auf dem linken Bild noch Holzkonstruktion zu sehen ist, ist das alles marode und muss weg und neu gemacht werden. Wird auch Zeit, dass da jemand den Sumpf trocken legt. Von der Rückwand ist jetzt größtenteils nur noch das Blech außen übrig. Auch das wird zumindest im unteren Bereich ersetzt, weil es an so vielen Stellen von Alufraß befallen ist, dass reparieren kaum noch sinnvoll ist. Es war nicht so einfach strukturiertes Alu-Blech breiter als 2m zu finden. Unter metalldiscounter24.de habe ich jetzt etwas bestellt. Mal schauen, wann das eintrifft. Ab 2m wird per Spedition zugestellt. Und wo ich gerade eh Links auf Webseiten mit schrägem Namen verteile: osterhenne.de - bzw. direkt den YouTube-Kanal dazu. Da bastelt auch einer an einem alten Ducato-Wohnmobil herum und erklärt das alles gut und unterhaltsam. Schrämpern nennt der sein Hobby - Schrauben & Campen. Wenn ich mir hingegen meine Kiste gerade so ansehe, denke ich eher an Schrott & nix mit Campen 😕 So langsam stellt sich nun auch die Frage, wie ich die nächsten Aktionen möglichst ohne großes Aufsehen veranstalte, weil das Wohnmobil hier vor dem Haus auf öffentlichem Grund am Straßenrand steht. Und dazu sollte es eigentlich allzeit vollumfänglich fahrbereit sein. Wenn ich die Rückwand austausche, dann ist zeitweise das Rücklicht auch ab und der auch Gesamteindruck definitiv im nicht-fahrbereitem Spektrum.

Es muss immer erst schlimmer werden ...

... bevor es besser werden kann. Viel schlimmer! Eigentlich wollte ich ja nur die Duschwanne ausbauen, um einen Riss in dieser zu reparieren. Aber ...
VorherHinterher
Vorher und hinterher
Man kann in diesem Wohnmobil zehnmal noch so genau irgendwo hinschauen - beim elften Mal findet man dann doch noch eine Baustelle! Ironischerweise war unter dem Riss in der Dusche überhaupt kein Wasserschaden. Aber um die Duschwanne herauszubekommen musste ich auch die Toilette ausbauen und dabei stieß ich dann auf eine schönes Bescherung an der Rückwand. Etwas suspekt war mir die Wand zwar schon vorher. Aber das wahre Ausmaß ist jetzt schon beachtlich. Soweit ich das bisher sehe, kam das Wasser über die Schrauben der Heckstoßstange rein. Jedenfalls sind die unteren 50 cm der Rückwand und ein Teil des Boden und der Seitenwand komplett Torf. Früher oder später wäre hier jemand mitsamt Toilette im Boden versunken ... Ich muss das kaputte Holz wegpulen, die Löcher abdichten und anschließend die Stellen neu aufbauen. Sieht so aus als würde ich den Sommerurlaub im Wohnmobil verbringen. Nur halt nicht so, wie gedacht. *seufz* Aber irgendwas ist ja immer. Wenigstens sind das alles keine teuren Materialien oder komplizierte Arbeiten.