Retro-Toaster-PC

Kurzer Wortspiel-Erklärbär vorab für die Nicht-Eingeweihten: Wenn ein Computerspieler rumjammert, dass sein Rechner ein "Toaster" ist, dann meint er damit, dass sein PC veraltet und lahm ist und eben die Rechenleistung eines Toasters hat. 😉 Im Oktober war ich auf einer Retro-LAN-Party in Bonn (retro-lan.de) und kam dort auf eine Idee: Weil so oft gesagt wurde, dass die PC-Games aus den frühen 2000ern "quasi selbst auf einem Toaster laufen", dachte ich mir, diese Behauptung stelle ich jetzt mal auf die Probe ... und habe einen Retro-Toaster-PC gebaut! Was braucht man für so ein Projekt? Na ja, PC-Komponenten und ein Toastergehäuse halt, in das alles rein passt. Also am besten möglichst kleine Komponenten, denn Toaster sind um einiges kleiner als PC-Gehäuse. Und außerdem, als Zusatzherausforderung, wollte ich, dass alles von vor 2006 ist - denn das ist die Voraussetzung, um mit der Kiste bei der nächsten Retro-LAN aufzuschlagen und da dann Unreal Tournament absolut stilvoll auf einem Toaster zu zocken. 🤣 Das kleinste Mainboard aus dieser Ära, welches ich auftreiben konnte, war ein MB896, ein Mini-ITX-Board aus 2004 mit Intel-Onboard-Grafik und Abmessungen von 17x17 cm. Onboard-Grafik ist natürlich 💩, aber letztlich geht es ja darum einen Toaster(!) zu bauen und keine High-End-Maschine. So bekloppt die ganze Idee sein mag - es gibt schon Selbstbau-Toaster-PCs (z.B. hier oder hier), aber das sind dann meistens große 4-Fach-Toaster bei denen freilich jede Menge Hardware samt richtiger Grafikkarte rein passt. So was gefiel mir nicht. Ich wollte etwas schnuckligeres - und fand auf eBay einen richtig schönen alten Großmütterchen-Toaster mit emailliertem, bemaltem Blech. Er roch innen sogar noch nach Oma ... 🤣 Nur leider war dieser Toaster zu niedrig:
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Der Oma-Toaster wird ausgeweidet...
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... aber das Mainboard passt nicht! 😖
Schade. Aber der nächste Toaster via eBay hatte dann nicht nur die fehlenden 2cm mehr Bauhöhe, sondern ein ebenfalls cooles Design, mit schwarzem Bakelit und gestreiftem Edelstahl. So cool, dass ich mal Fotoshooting für ein paar schöne Windows-Wallpaper gemacht habe. Mit der Yoga-Matte von Frau Gemahlin als stylischem Hintergrund 😅:
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Alles edel gestreift hier.
Ich ❤️ dieses Design. Ich glaube gaaanz früher hatten meine Eltern mal genau so einen AEG-Toaster.
Inzwischen hatten sich auch die restlichen PC-Komponenten angesammelt und waren bereit zum Testlauf:
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Festplatte und RAM wurden später noch gewechselt, ansonsten ist hier schon alles pronto.
Da ich mich ja nun in ein normales, schmales Toastergehäuse verliebt hatte, war klar, dass hier kein normales, dickes ATX-Netzteil Platz findet. Die Lösung bestand in einer 24V-nach-ATX-Konverter-Platine, direkt aus China von AliExpress. Nein, das ist sicherlich nicht Vintage-Technik. Aber sicherlich die gesündere Alternative dazu, ein gewöhnliches ATX-Netzteil derart zu ... ähm "modifizieren", dass es doch irgendwie rein passt. Und damit Leute wie ich genau das nicht machen und genau nicht unqualifiziert an Netzspannung rumfummeln, wird bei der Retro-LAN auch ein Auge zugedrückt was nicht-retro Netzteile betrifft. 😉
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Anprobe mit dem Mainboard im Toaster.
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Alles findet seinen Platz.
Vorder- und Rückseite des Toasters bestehen aus Bakelit. Das ist zwar ein relativ zerbrechliches Material, lässt sich aber ansonsten sehr gut Bohren und Sägen. Bedenken muss man allerdings, dass Bakelit evtl. Asbest enthalten kann! Das wurde früher Kunststoffen beigefügt um beispielsweise die Hitzebeständigkeit zu erhöhen. Genau das also, was man bei einem Toaster tun würde .... Entsprechend habe ich nach Möglichkeit unter fließendem Wasser gearbeitet (welches aufgefangen und entsorgt wurde) und entsprechend umständlich war es dann trotzdem letzten Endes die Aussparungen für die Mainboard-Anschlüsse anzufertigen:
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Die Rückseite ist leicht gewölbt, darum sieht das Spaltmaß stellenweise so gemurkst aus.
An der Vorderseite hingegen musste ich überhaupt nix ändern, weil ich den originalen Auswurfschlitten samt Hebeltaste beibehalten habe. Diese Mechanik ist lediglich ein paar Millimeter weiter nach vorne gerückt um dem Mainboard Platz zu machen. Darum musste ich "nur" den Zapfen, auf dem die Taste geschraubt wird, abflexen und leicht versetzt wieder anschweißen. "Nur" in Anführungszeichen, weil ich dann in die Garage gewieselt bin um das schwere Schweißgerät in den Bastelkeller zu schleppen, wieder in die Garage um auch die schwere Argonflasche zu holen, alles vorbereitet und angeschlossen hatte, in kompletter Montur mit Lederhandschuhen und Schweißerhelm da stand um JETZT den kleinen Schweißpunkt zu setzen ... und dann: nix. Das Schweißgerät schreibt sich fortan ohne w und will nicht mehr. Kaputto. 😩 Ich hasse so was! Also habe ich ein Wochenende lang nun doch noch unqualifiziert an Netzspannung rumgefummelt... leider ohne das Problem zu finden. 😕 Was ich aber konnte, war, mir aus diesem Anlass ein kleines, leichtes Inverterschweißgerät zu kaufen! 😁 Und somit endlich am Toaster weitermachen zu können! Wenigstens hatte ich zwischenzeitlich Gelegenheit, mir die Einschaltmechanik für den Toaster-PC zu überlegen. Mit einem Zugmagneten den Schlitten während der ganzen Betriebszeit unten zu halten wäre möglich, aber nicht clever. Zumal der Magnet im Betrieb ganz schön heiß wird. Der ist nicht für Dauerbetrieb konzipiert. Stattdessen rastet der Auswurfschlitten nun an einer kleinen Metallnase ein, die der Zugmagnet nur kurz zurückzuziehen braucht:
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Auswurfschlitten ...
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... und Auslösemechanik (noch nicht eingerastet).
Die Logik ist: wenn der Auswurfschlitten eingerastet ist, drückt er einen Mikrotaster. Und wenn der PC nicht mehr läuft und also auch keine 5V mehr am Mainboard anliegen, dann schaltet ein Relais durch. Ist das Relais geschaltet und der Mikrotaster gedrückt, dann löst der Zugmagnet aus und der Auswurfschlitten saust scheppernd nach oben. So startet und stoppt der Toaster-PC nun wie ein richtiger Toaster. Und was braucht ein richtiger Toaster noch? Klar, Heizdraht! Das fände allerdings der CPU-Kühler nicht so cool und darum imitiere ich das typische Toaster-Glühen mit zwei orangefarbenen LED-Streifen. Ein ordentlicher Gamer-PC braucht ohnehin Innenbeleuchtung! So ein typisches Toasterglühen ist aber nicht schlagartig da, sondern wird langsam heller beim Einschalten und langsam dunkler beim Ausschalten. Meine erste Idee war, einfach mit ein paar dicken Kondensatoren die Spannung zu puffern:
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Groß und klobig.
Nur sind erste Ideen manchmal nicht die Besten, und die ganzen dicken Elkos hätten auch kaum mehr Platz im Gehäuse gehabt. Also habe ich nach einem Schaltungsbeispiel für diese Aufgabe gegoogelt und - typisch für unsere Zeit - ausschließlich Vorschläge mit PWM über Arduino gefunden. 🤪 Tzz! Gleich einen Mikrocontroller auf so ein triviales Problem werfen? Das geht doch auch smarter... Darum ging ich zurück ans Experimentierboard und habe schließlich eine kleine Schaltung basierend auf einem Leistungstransistor entworfen. Hier meine quick-and-dirty So-ungefähr-Skizze dazu:
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Unglaubliche Technik: Kommt ganz ohne Mikrocontroller aus. 😂
Der Kondensator lädt sich beim Einschalten über einen Widerstand auf. Je mehr er aufgeladen ist, umso mehr steuert der Transistor durch und die zwei 12V-LED-Streifen, die ich in Reihe geschaltet habe (ja ja, soll man nicht machen), gehen langsam an. In Serie zum Widerstand habe ich später noch ein Poti eingebaut, um diesen Vorgang einstellen zu können. Ist die 5V-Spannung weg, weil der PC heruntergefahren wurde, dann entlädt sich der Kondensator über den Widerstand parallel zu ihm und die LEDs gehen langsam aus. Das funktioniert, da die 24V für die LEDs weiterhin direkt vom Netzteil kommen und sich mit den 5V die Masse teilen.
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Tosteriges Glühen in der kleinen Kiste.
Allerdings, auch ohne echte Heizdrähte wurde es ziemlich warm im Toaster. Insbesondere die Spulen auf der Netzteil-Platine machten mir etwas Sorgen:
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Ohne Deckel drauf noch ganz gut, aber mit Gehäuse wird's langsam Glut.
Das ist weniger ein Fernost-Qualitätsmerkmal, als einfach der Tatsache geschuldet, dass das Netzteil hier in einer schlecht belüftbaren Ecke verbaut ist. Den Platz mit der Festplatte zu tauschen ist auch keine Lösung, denn die Festplatte mag es auch nicht warm haben. Und eine ausgefallene Festplatte macht auch keine Freude. Zum Glück fand ich in einer Kiste mit Ausschlachtkram noch ein Gehäuse von irgendeinem externen Laufwerk mit einem süßen kleinen 30mm-Lüfter. Der passt gerade so eingequetscht zwischen Festplatte und Netzteil und wird einfach pragmatisch mit etwas Kleber auf Position gehalten. Bei 12V entfaltet er seinen ganzen Napoleonkomplex und übertönt jeden anderen Lüfter, aber an 5V angeschlossen bleibt er ruhig und sorgt für einen sanften Luftstrom auf den Spulen des Netzteils:
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Kleiner Kreischer mit 5V ruhig gestellt.
Kaum weniger nervig war übrigens der 50mm-Gehäuselüfter, den ich an die Rückseite geschraubt hatte. Grund: das Mainboard drosselt nicht etwa die Spannung vom Lüfter wenn es kalt genug ist, sondern gibt ihm einfach konstant Vollgas. Meh. Also habe ich das auch umgebaut und mit einem NTC und einem Transistor eine apdative Lüftersteuerung gebastelt, welche die Spannung des Lüfters temperaturabhängig regelt. Nun, da die Temperaturprobleme im Griff waren, konnte ich Windows aufsetzen ...
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Natürlich ist es ein adäquat passendes Windows XP.
... und mal schauen, was ein Toaster-PC so leisten kann:
Uff! Es drängt sich mir der Eindruck auf, es war bald mehr Aufwand dieses Youtube-Filmchen aufzunehmen, zu schneiden und zu vertonen als den Toaster-PC zu bauen. 😅