Markiert mit "OBS STUDIO"


Alles nur Fake

In der Corona-Hochphase hat sich das bei uns auf der Arbeit so etabliert, dass die Entwicklungsabteilung quasi komplett aus dem Home Office arbeitet. Inzwischen hat sich das wieder etwas relativiert. Was aber geblieben ist, ist dass die Besprechungen nun stets in Microsoft Teams stattfinden. Da sitzt man dann nun also vor der Webcam und schaut auf dem Monitor einem Dutzend Kollegen zu. - Musste man sich anfangs auch erstmal daran gewöhnen, aber inzwischen ist mir das virtuelle Meeting sogar lieber geworden als das in realer Präsenz. Und damit es mir auch auf Dauer nicht zu eintönig wird, habe ich irgendwann angefangen mit den virtuellen Hintergründen im Videochat zu experimentieren. Ein schöner Sonnenuntergang am Strand im Hintergrund ist ja auch zweifellos ansprechender, als immer nur die schnöde Rückwand vom Arbeitszimmer. Auch, wenn's leider nicht echt ist. Teams kann von Haus aus allerdings nur Standbilder als Hintergrund einblenden. Das war mir bald zu einschränkend, woraufhin ich ein bisschen herumgetüftelt habe und jetzt letztlich mit OBS Studio zuerst das Videobild der Webcam bearbeite um das Resultat dann als Stream in eine virtuelle Webcam einzuspeisen, welche ich in Teams dann als meine Kamera verwende. Das ermöglicht mir beliebige Videos als Hintergrund einzufügen, zusätzliche Objekte, Bild-in-Bild-Filme und noch viel mehr. Ein ganzes Universum neuer Möglichkeiten! So war ich in unseren Besprechungen bereits
  • Pilot im X-Wing und im Millenium Fighter
  • Nachrichtensprecher im Sovjet-Fernsehen
  • saß auf Käpt'n Kirks Kommandosessel
  • stand auf der Bundespressekonferenz neben Seibert & Co. Rede und Antwort
  • fuhr in Endlosschleife durch die Autowaschanlage
  • wurde im Jurassic Park Jeep vom Tyrannosaurier verfolgt
  • hielt eine Rede im Bundestag
  • fuhr im Taxi quer durch New York City
  • und und und
Kurz: man kann sich da herrlich kreativ austoben! 😃 Jede Woche was Neues! Material und Anregungen findet man ja zuhauf im Netz.
X-Wing
Meine Wenigkeit im Retro-Pixel-Look im Cockpit eines X-Wing mit R2D2 hinter mir
Carwash
In der Autowaschanlage
Anchorman
Nachrichtensprecher im Sovjet-Fernsehen
Das Setup kann dabei durchaus kompliziert werden. Der Nachrichtensprecher beispielsweise hat eine animierte Weltkarte im Hintergrund, ein Reportage-Video oben links und das Senderlogo oben rechts eingeblendet, ein Bild von Tisch mit Mikrofon im Vordergrund unten und über alles einen Schwarzweiß-Filter und ein paar Effekte um es als Analogfernsehen aussehen zu lassen. Und damit noch nicht genug! Nicht nur die Szenerie kann Fake sein, auch der Darsteller. Also man selbst:
Sylvester Stallone
Hier zu sehen: unser Bücherregal, mein Schreibtischstuhl, mein T-Shirt und nicht der echte Sylvester Stallone
Dass da live und in Farbe Sylvester Stallone an meiner Stelle im Meeting die Kollegen über die geänderten Softwareanforderungen informierte, machte eine Deepfake-KI namens DeepFaceLive möglich, welche in Echtzeit mein Gesicht durch das des Action-Stars austauschte. Und das in erschreckend beeindruckender Qualität. Technisch läuft das jedenfalls so ab, dass ein Video (in diesem Fall von meiner Webcam) durch eine Gesichtserkennungssoftware erfasst wird, die u.a. analysiert mit welchem Gesichtsausdruck ich gerade in welche Richtung blicke. Daraufhin wird ein künstlich gezeichnetes Bild von Sylvester Stallone mit gleicher Mimik erstellt und mit meinem Webcam-Bild zusammengeführt. Das Resultat wird in ein Ausgabefenster übertragen und dort von OBS Studio aufgenommen und in den Videostream für Microsoft Teams eingespielt. Dort lassen sich natürlich auch die gleichen Spielereien wie mit dem normalen Kamerabild anstellen, so dass ich als Stallone z.B. ebenfalls durch die Waschstraße fahren könnte. Der Deepfake-Gesichtertausch braucht auf meinem Rechner etwa eine Sekunde Berechnungszeit. Um so viel hinkt das Videobild folglich dem Mikrofon-Audio hinterher. Damit das in Teams nicht auffällt, lasse ich das Mikrofon ebenfalls zuerst von OBS Studio aufnehmen, verzögere es um eine Sekunde und gebe es dann wieder in einem virtuellen Mikrofon aus, welches Teams letztlich als Audioeingang verwendet. Bei der Gelegenheit lässt sich zudem dann gleich auch noch die eigene Stimme verändern - sehr zweckdienlich um einen Fake zu perfektionieren:
Deepfake MS Teams avatar
Endlich tut mal jemand was für die Frauenquote bei uns 😂 (Perücke aus der Fasnachtskiste) Außerdem: Sie: Warum liegen da lange schwarze Haare auf deiner Schulter? 🤔 Ich: Ach, die sind von mir. 😅
Trotz allem. So spaßig das Herumalbern mit dieser Technik auch sein mag, bleibt da doch auch ein böser Nachgeschmack. Denn wenn man sich mal selbst damit beschäftigt hat, wird es auf beunruhigende Weise sehr eindrücklich, wie leicht sich damit auch Ungutes anstellen ließe. Es wäre jetzt bereits relativ einfach jemanden in ein diskreditierendes Video hineinzufaken und so in Schwierigkeiten zu bringen. Und dabei steckt die Technik erst noch in den Kinderschuhen. Dass Fotos manipuliert werden können (gephotoshoppt) und darum nicht unbedingt immer glaubwürdig sind, hat sich hoffentlich mittlerweile herumgesprochen - nun steht uns das Gleiche mit Videos bevor. Ich glaube, da werden uns die kommenden Jahre noch einige Lektionen erteilen. 😕 Darum haltet euch an Fake Barack Obama: Stay woke, bitches!