Vintage Computer Festival 2025

Heute haben wir als technikbegeisterte Drei-Mann-Delegation des Freiburger Roboterclubs dem Vintage Computer Festival in Zürich einen Besuch abgestattet: Dutzende Ausstellungsstände (viele davon zum Anfassen und selbst erfahren) mit alter Computertechnik, Röhrenbildschirmen, historischen Datenmedien und Retro-Games auf mehreren Ebenen in einem ehemaligen Kraftwerk - also ein richtiges Nerd-Paradies. 😊 Den Einstieg machte direkt ein Vektorgrafiksystem aus den 70ern mit, für diese Zeit, beeindruckend gestochen scharfer Darstellung:
Tektronix 4014-1
Tektronix 4014-1
Für Hobbyisten waren solche Geräte damals natürlich komplett unerschwinglich. Stattdessen war im Bereich der frühen Home-Computer noch sehr viel aufwendige Eigenarbeit erforderlich, wie dieses Beispiel aus 1968 auf Basis einer Anleitung in einer Fachzeitschrift zeigt:
Selbstbaucomputer
Die Bauteile wurden vom Besitzer zuvor aus gebrauchten Radios und Elektroschrott ausgelötet und zusammengesammelt.
Nicht minder beeindruckt durch den investierten Aufwand hat uns der voll funktionsfähige Nachbau eines Intel 4004 (quasi der Urahn aller heutigen Prozessoren) aus 1800(!) einzelnen Transistoren:
Selbstbaucomputer
Aus einzelnen Transistoren gebaut zwar nicht mehr wirklich ein Mikrochip, aber dafür sehr anschaulich und informativ.
Laut Besitzer übrigens kaum zu debuggen, weil allein schon der Tastkopf eines Oszis an einem Transistorbeinchen diesen aus der Bahn wirft. Und wo wir gerade beim Thema Aufwand sind: dies ist ein altes Kernspeichermodul:
Kernspeicher
Und nun werfen wir einen Blick durch das Mikroskop auf diese grauen Flächen da:
Kernspeicher
(Ein Klick auf's Bild öffnet übrigens eine größere Ansicht)
Jeder einzelne dieser winzigen Ferrit-Ringe wurde von Hand(!) von chinesischen Gastarbeiterinnen aufgefädelt - Bit für Bit. 😮 Das erklärt dann auch solche Preise:
1MBit Kernspeicher
Kurz mal die Mathe gemacht: das sind 204.000 Schweizer Franken für 150 Kilobyte - wohlgemerkt nach 1965er Kaufkraft ^^
Neben tollen Exponaten wurden auch Vorträge gehalten. Im Vortrag zu Retro-Computing ging es unter anderem um den Verfall von Technik im Laufe der Zeit, die Probleme beim Auslesen historischer Datenträger und um ein paar generelle Fragen, die mir immer noch nachwirken:
  • Die 30..40 Jahre alten Computer, die wir Enthusiasten so liebevoll und aufwendig restaurieren, weil wir einen persönlichen nostalgischen Bezug zu dieser Technik haben: wie werden die in weiteren 30..40 Jahren aussehen, welchen Zustand werden die haben?
  • Wer wird sich um sie kümmern, wenn nachfolgende Generationen keinen eigenen Bezug dazu haben? Wie sieht es in 80 Jahren aus? Oder in 200?
  • Was wird irgendwann überhaupt noch funktionieren? (Stichwort Elekromigration)
Das sind durchaus ernste Themen, deren Beantwortung vielleicht mal ein eigener Artikel werden könnte...
1MBit Kernspeicher
Dieser Röhrenmonitor eines HP250 leidet unter CRT cataracts - dem irreversiblen Ablösen des Schutzglases, was den Bildinhalt nahezu unlesbar macht.
Da es sich um eine extrem seltene Röhre mit einzigartiger Bauform handelt, ist ein Ersatz de facto unmöglich.
Erfreulicherweise waren aber auch "Rechner" zu sehen, die von solchen Problemen unberührt ihren Dienst noch lange Zeit tun:
Mechanische Rechenmaschine
Mechanische Rechenmaschine

Impressionen

Uraltes:

Univaclogic module
Logikmodul aus einem UNIVAC 1
Lochkartenleser
Arduino bringt einen Lochkartenleser ins 21. Jahrhundert

Hübsches:

HP150
Touchscreen-Technik anno 1983
Macintosh Plus
Ein Macintosh Plus aus 1986

Besonderes:

Akustikkoppler
Ein frühes Notebook mit Datenkassette und Akustikkoppler
OLPC
Ein Vertreter des enthusiastisch gestarteten und dann in der Praxis gescheiterten One Laptop Per Child-Projekts

Retro-Gaming:

1995 i-Glasses
Hier kann man Descent mit 3D-Brille spielen. Fand ich sehr cool, denn genau so ein i-Glasses VR-Set aus 1995 habe ich auch 😎
Duke Nukem 3D
"I'm here to kick ass and chew bubblegum, and I'm all outta gum" - Duke Nukem 3D
1999 LAN setup
Und hier konnte wie anno 1999 an mehreren Rechnern im Netzwerk Quake gezockt werden.
Und Ausklang eines coolen Techniktages am Züricher See:
Züricher See

Upgrade des Toaster-PCs

Der Toaster-PC von neulich war ja ganz passabel tauglich für sehr alte Spiele (Unreal Tournament 1999, Quake 3, ...) aber stieß schon bei etwas moderneren Games wegen der schwachbrüstigen onboard-Grafikkarte schnell an seine Grenzen. Counterstrike Source etwa war mit durchschnittlich 4 Bildern pro Sekunde überhaupt nicht spielbar. Motiviert und beraten durch die Jungs von retro-lan.de habe ich die Kiste darum nun mit einer richtigen Grafikkarte (ATI Radeon X1300) aufgerüstet. Diese ist zwar lediglich an dem PCI-E x1-Slot des Mainboards angeschlossen, aber der Leistungsgewinn war trotzdem enorm:
Aufgerüstet: RICHTIGE Grafikkarte für den Toaster-PC
Das hat sich gelohnt 👍

Retro-Toaster-PC

Kurzer Wortspiel-Erklärbär vorab für die Nicht-Eingeweihten: Wenn ein Computerspieler rumjammert, dass sein Rechner ein "Toaster" ist, dann meint er damit, dass sein PC veraltet und lahm ist und eben die Rechenleistung eines Toasters hat. 😉 Im Oktober war ich auf einer Retro-LAN-Party in Bonn (retro-lan.de) und kam dort auf eine Idee: Weil so oft gesagt wurde, dass die PC-Games aus den frühen 2000ern "quasi selbst auf einem Toaster laufen", dachte ich mir, diese Behauptung stelle ich jetzt mal auf die Probe ... und habe einen Retro-Toaster-PC gebaut! Was braucht man für so ein Projekt? Na ja, PC-Komponenten und ein Toastergehäuse halt, in das alles rein passt. Also am besten möglichst kleine Komponenten, denn Toaster sind um einiges kleiner als PC-Gehäuse. Und außerdem, als Zusatzherausforderung, wollte ich, dass alles von vor 2006 ist - denn das ist die Voraussetzung, um mit der Kiste bei der nächsten Retro-LAN aufzuschlagen und da dann Unreal Tournament absolut stilvoll auf einem Toaster zu zocken. 🤣 Das kleinste Mainboard aus dieser Ära, welches ich auftreiben konnte, war ein MB896, ein Mini-ITX-Board aus 2004 mit Intel-Onboard-Grafik und Abmessungen von 17x17 cm. Onboard-Grafik ist natürlich 💩, aber letztlich geht es ja darum einen Toaster(!) zu bauen und keine High-End-Maschine. So bekloppt die ganze Idee sein mag - es gibt schon Selbstbau-Toaster-PCs (z.B. hier oder hier), aber das sind dann meistens große 4-Fach-Toaster bei denen freilich jede Menge Hardware samt richtiger Grafikkarte rein passt. So was gefiel mir nicht. Ich wollte etwas schnuckligeres - und fand auf eBay einen richtig schönen alten Großmütterchen-Toaster mit emailliertem, bemaltem Blech. Er roch innen sogar noch nach Oma ... 🤣 Nur leider war dieser Toaster zu niedrig:
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Der Oma-Toaster wird ausgeweidet...
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... aber das Mainboard passt nicht! 😖
Schade. Aber der nächste Toaster via eBay hatte dann nicht nur die fehlenden 2cm mehr Bauhöhe, sondern ein ebenfalls cooles Design, mit schwarzem Bakelit und gestreiftem Edelstahl. So cool, dass ich mal Fotoshooting für ein paar schöne Windows-Wallpaper gemacht habe. Mit der Yoga-Matte von Frau Gemahlin als stylischem Hintergrund 😅:
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Alles edel gestreift hier.
Ich ❤️ dieses Design. Ich glaube gaaanz früher hatten meine Eltern mal genau so einen AEG-Toaster.
Inzwischen hatten sich auch die restlichen PC-Komponenten angesammelt und waren bereit zum Testlauf:
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Festplatte und RAM wurden später noch gewechselt, ansonsten ist hier schon alles pronto.
Da ich mich ja nun in ein normales, schmales Toastergehäuse verliebt hatte, war klar, dass hier kein normales, dickes ATX-Netzteil Platz findet. Die Lösung bestand in einer 24V-nach-ATX-Konverter-Platine, direkt aus China von AliExpress. Nein, das ist sicherlich nicht Vintage-Technik. Aber sicherlich die gesündere Alternative dazu, ein gewöhnliches ATX-Netzteil derart zu ... ähm "modifizieren", dass es doch irgendwie rein passt. Und damit Leute wie ich genau das nicht machen und genau nicht unqualifiziert an Netzspannung rumfummeln, wird bei der Retro-LAN auch ein Auge zugedrückt was nicht-retro Netzteile betrifft. 😉
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Anprobe mit dem Mainboard im Toaster.
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Alles findet seinen Platz.
Vorder- und Rückseite des Toasters bestehen aus Bakelit. Das ist zwar ein relativ zerbrechliches Material, lässt sich aber ansonsten sehr gut Bohren und Sägen. Bedenken muss man allerdings, dass Bakelit evtl. Asbest enthalten kann! Das wurde früher Kunststoffen beigefügt um beispielsweise die Hitzebeständigkeit zu erhöhen. Genau das also, was man bei einem Toaster tun würde .... Entsprechend habe ich nach Möglichkeit unter fließendem Wasser gearbeitet (welches aufgefangen und entsorgt wurde) und entsprechend umständlich war es dann trotzdem letzten Endes die Aussparungen für die Mainboard-Anschlüsse anzufertigen:
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Die Rückseite ist leicht gewölbt, darum sieht das Spaltmaß stellenweise so gemurkst aus.
An der Vorderseite hingegen musste ich überhaupt nix ändern, weil ich den originalen Auswurfschlitten samt Hebeltaste beibehalten habe. Diese Mechanik ist lediglich ein paar Millimeter weiter nach vorne gerückt um dem Mainboard Platz zu machen. Darum musste ich "nur" den Zapfen, auf dem die Taste geschraubt wird, abflexen und leicht versetzt wieder anschweißen. "Nur" in Anführungszeichen, weil ich dann in die Garage gewieselt bin um das schwere Schweißgerät in den Bastelkeller zu schleppen, wieder in die Garage um auch die schwere Argonflasche zu holen, alles vorbereitet und angeschlossen hatte, in kompletter Montur mit Lederhandschuhen und Schweißerhelm da stand um JETZT den kleinen Schweißpunkt zu setzen ... und dann: nix. Das Schweißgerät schreibt sich fortan ohne w und will nicht mehr. Kaputto. 😩 Ich hasse so was! Also habe ich ein Wochenende lang nun doch noch unqualifiziert an Netzspannung rumgefummelt... leider ohne das Problem zu finden. 😕 Was ich aber konnte, war, mir aus diesem Anlass ein kleines, leichtes Inverterschweißgerät zu kaufen! 😁 Und somit endlich am Toaster weitermachen zu können! Wenigstens hatte ich zwischenzeitlich Gelegenheit, mir die Einschaltmechanik für den Toaster-PC zu überlegen. Mit einem Zugmagneten den Schlitten während der ganzen Betriebszeit unten zu halten wäre möglich, aber nicht clever. Zumal der Magnet im Betrieb ganz schön heiß wird. Der ist nicht für Dauerbetrieb konzipiert. Stattdessen rastet der Auswurfschlitten nun an einer kleinen Metallnase ein, die der Zugmagnet nur kurz zurückzuziehen braucht:
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Auswurfschlitten ...
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... und Auslösemechanik (noch nicht eingerastet).
Die Logik ist: wenn der Auswurfschlitten eingerastet ist, drückt er einen Mikrotaster. Und wenn der PC nicht mehr läuft und also auch keine 5V mehr am Mainboard anliegen, dann schaltet ein Relais durch. Ist das Relais geschaltet und der Mikrotaster gedrückt, dann löst der Zugmagnet aus und der Auswurfschlitten saust scheppernd nach oben. So startet und stoppt der Toaster-PC nun wie ein richtiger Toaster. Und was braucht ein richtiger Toaster noch? Klar, Heizdraht! Das fände allerdings der CPU-Kühler nicht so cool und darum imitiere ich das typische Toaster-Glühen mit zwei orangefarbenen LED-Streifen. Ein ordentlicher Gamer-PC braucht ohnehin Innenbeleuchtung! So ein typisches Toasterglühen ist aber nicht schlagartig da, sondern wird langsam heller beim Einschalten und langsam dunkler beim Ausschalten. Meine erste Idee war, einfach mit ein paar dicken Kondensatoren die Spannung zu puffern:
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Groß und klobig.
Nur sind erste Ideen manchmal nicht die Besten, und die ganzen dicken Elkos hätten auch kaum mehr Platz im Gehäuse gehabt. Also habe ich nach einem Schaltungsbeispiel für diese Aufgabe gegoogelt und - typisch für unsere Zeit - ausschließlich Vorschläge mit PWM über Arduino gefunden. 🤪 Tzz! Gleich einen Mikrocontroller auf so ein triviales Problem werfen? Das geht doch auch smarter... Darum ging ich zurück ans Experimentierboard und habe schließlich eine kleine Schaltung basierend auf einem Leistungstransistor entworfen. Hier meine quick-and-dirty So-ungefähr-Skizze dazu:
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Unglaubliche Technik: Kommt ganz ohne Mikrocontroller aus. 😂
Der Kondensator lädt sich beim Einschalten über einen Widerstand auf. Je mehr er aufgeladen ist, umso mehr steuert der Transistor durch und die zwei 12V-LED-Streifen, die ich in Reihe geschaltet habe (ja ja, soll man nicht machen), gehen langsam an. In Serie zum Widerstand habe ich später noch ein Poti eingebaut, um diesen Vorgang einstellen zu können. Ist die 5V-Spannung weg, weil der PC heruntergefahren wurde, dann entlädt sich der Kondensator über den Widerstand parallel zu ihm und die LEDs gehen langsam aus. Das funktioniert, da die 24V für die LEDs weiterhin direkt vom Netzteil kommen und sich mit den 5V die Masse teilen.
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Tosteriges Glühen in der kleinen Kiste.
Allerdings, auch ohne echte Heizdrähte wurde es ziemlich warm im Toaster. Insbesondere die Spulen auf der Netzteil-Platine machten mir etwas Sorgen:
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Ohne Deckel drauf noch ganz gut, aber mit Gehäuse wird's langsam Glut.
Das ist weniger ein Fernost-Qualitätsmerkmal, als einfach der Tatsache geschuldet, dass das Netzteil hier in einer schlecht belüftbaren Ecke verbaut ist. Den Platz mit der Festplatte zu tauschen ist auch keine Lösung, denn die Festplatte mag es auch nicht warm haben. Und eine ausgefallene Festplatte macht auch keine Freude. Zum Glück fand ich in einer Kiste mit Ausschlachtkram noch ein Gehäuse von irgendeinem externen Laufwerk mit einem süßen kleinen 30mm-Lüfter. Der passt gerade so eingequetscht zwischen Festplatte und Netzteil und wird einfach pragmatisch mit etwas Kleber auf Position gehalten. Bei 12V entfaltet er seinen ganzen Napoleonkomplex und übertönt jeden anderen Lüfter, aber an 5V angeschlossen bleibt er ruhig und sorgt für einen sanften Luftstrom auf den Spulen des Netzteils:
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Kleiner Kreischer mit 5V ruhig gestellt.
Kaum weniger nervig war übrigens der 50mm-Gehäuselüfter, den ich an die Rückseite geschraubt hatte. Grund: das Mainboard drosselt nicht etwa die Spannung vom Lüfter wenn es kalt genug ist, sondern gibt ihm einfach konstant Vollgas. Meh. Also habe ich das auch umgebaut und mit einem NTC und einem Transistor eine apdative Lüftersteuerung gebastelt, welche die Spannung des Lüfters temperaturabhängig regelt. Nun, da die Temperaturprobleme im Griff waren, konnte ich Windows aufsetzen ...
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Natürlich ist es ein adäquat passendes Windows XP.
... und mal schauen, was ein Toaster-PC so leisten kann:
Uff! Es drängt sich mir der Eindruck auf, es war bald mehr Aufwand dieses Youtube-Filmchen aufzunehmen, zu schneiden und zu vertonen als den Toaster-PC zu bauen. 😅

IBM PS/2 Model 55SX aus 1990

IBM Model 55SX
IBM PS/2 Model 55SX, ein 386er mit 16 MHz und 32 MB Festplatte
Als kleines Zwischenprojekt habe ich kürzlich den abgebildeten IBM PS/2 aus Baujahr 1990 recht günstig erstanden. Kurz zum historischen Kontext dieses Rechners: IBM hatte Anfang der 80er mit dem Personal Computer einen neuen Typ von Computer eingeführt, der überraschend so erfolgreich war, dass er bis in die 90er IBM die Marktdominanz im Computerbereich sicherte, Microsoft zum weltweiten Aufstieg verhalf und zum Teil bis in die heutigen Computer nachwirkt. Das neue, offene und patentfreie PC-Konzept sorgte schnell für eine unüberschaubare und stetig wachsende Fülle von IBM-kompatibler Hard- und Software vieler Hersteller - und war IBM darum bald ein Dorn im Auge, wollte man doch an dem unerwartet enormen Erfolg selber auch enorm mitverdienen. 1987 führte IBM darum das PS/2-System als vorgesehenes Nachfolgekonzept ein, bei dem IBM hohe Lizenzkosten forderte. Weil die Hardware dadurch sehr teuer war, nicht abwärtskompatibel zum PC-Konzept war und kaum andere Hersteller diesen neuen Weg mitgehen wollten, scheiterte IBM mit den PS/2-Computern desaströs auf ganzer Linie und verlor seine einstige Vorreiterrolle komplett. Statt IBM-kompatibel achteten die Käufer fortan auf Windows-kompatibel. Aus geschichtlicher Sicht finde ich PS/2-Rechner von daher durchaus interessant. Zumal mein erster eigener Computer auch ein PS/2 war.
Beim Beschäftigen mit meinem Neuerwerb stellten sich dann aber gleich mal ein paar Baustellen heraus:
  • Die Batterie für BIOS-Einstellungen war leer,
  • das Diskettenlaufwerk wollte nicht mehr
  • und 2 MB Arbeitsspeicher verlocken geradezu danach etwas aufgerüstet zu werden.
Also gehen wir es an ... Die Batterie für die BIOS-Einstellungen ist leider zusammen mit der Echtzeituhr in einem Chip vergossen:
Dallas 1287
Dallas DS1287 war ein üblicher Baustein zu jener Zeit für die batteriegestützte Echtzeituhr
Man kann es der Batterie nach 34 Jahren nicht verübeln, dass ihr die Puste ausgegangen ist, aber wir müssen da jetzt ran. Leider sind die Kontakte nicht nach außen herausgeführt, so dass das Gehäuse einer kleinen Operation unterzogen werden muss:
Hacking a Dallas RTC chip
Im Prinzip geht das auch mit einem Dremel, aber ich nehme hierfür lieber meine Mini-Fräse
Hacking a Dallas RTC
Die modifizierte Echtzeituhr mit nun nach außen geführten Leitungen für eine externe 3V-Batterie
Der ganze Prozess ist hier beschrieben. Kurzfassung: mit einem Fräser verschafft man sich vorsichtig Zugang zu den vergossenen Pins 16 und 20. Pin 16 unterbricht man und lötet an dessen unterem Ende sowie an Pin 20 Kabel an, die man an einen externen Batterieclip für eine CR2032-Batterie (3V) führt. Zur Sicherung gegen Abreißen habe ich die Kabel an der DS1287 noch mit UV-härtendem Kleber vergossen. Fertig. 😎 Die DS1287 war eine gebräuchliche Echtzeituhr auf Mainboards jener Zeit, nicht nur bei PS/2-Rechnern. Das Auffräsen der vergossenen Kontakte ist lästig und leider auch etwas diffizil, aber lieber das, als die Einlötbatterieen die man gelegentlich auf anderen alten Mainboards findet und die früher oder später alle auslaufen und dann die Leiterbahnen irreparabel durchätzen. Mit frischer Batterie ist schon mal eine Fehlermeldung beseitigt, aber der Rechner beklagt sich weiterhin, dass die BIOS-Einstellungen neu geschrieben werden müssen. Nur, wie kommt man beim IBM 55SX ins BIOS? Nach etwas Recherche stellt sich heraus: nur mit Booten von einer speziellen IBM-Diskette (Reference Diskette). Wie gut, dass es diese Disketten im Netz zum Download gibt. Wie blöd, dass das Diskettenlaufwerk aber partout keine Disketten erkennen will.😕 Also wird das die nächste Baustelle...
IBM Model 55SX Floppy Drive
Links das Problemlaufwerk, rechts ein mindestens ebenso altes IBM-Diskettenlaufwerk bei dem schon Teile vom Gehäuse fehlen, das vollkommen verstaubt war und das trotzdem noch brav Disketten liest und schreibt. 🤣
Natürlich hatte IBM bei den PS/2-Diskettenlaufwerken auch wieder einen Sonderweg gewählt und man kann nicht einfach ein anderes Laufwerk aus einem PC verwenden. Es gibt wohl Adapter um das doch zu bewerkstelligen, aber mein Anspruch war, nach Möglichkeit das Originallaufwerk wieder in Gang zu bekommen. Wenn ein Diskettenlaufwerk zwar noch die Diskette dreht und den Lesekopf bewegt, aber sonst nicht mehr so richtig will, dann liegt es entweder am Lesekopf selbst oder an der Elektronik und da dann meistens an ausgelaufenen oder eingetrockneten Elektrolytkondensatoren (Elkos). Ein Blick auf die Platine bestätigt, dass dies auch hier der Fall sein könnte:
Electrolyte corosion on an IBM floppy drive
Eine gesunde Lötstelle sollte silbrig glänzen, und nicht die Farbe eines Nasenpopels haben.
In diesem Fall hatte ich Glück, es handelt es sich um Aluminium-Elkos sehr kleiner SMD-Bauform, die nur wenig Elektrolyt enthalten, was entsprechend weniger Schaden pro Zeit anrichtet. Die Leiterbahnen waren hier somit noch fast unversehrt geblieben. So oder so, hatte ich entschieden alle Elkos auszutauschen und durch Neue zu ersetzen. Allerdings enthielt mein Vorrat an SMD-Kondensatoren keinen passenden Ersatz, so dass das Projekt erstmal für ein paar Tage zum Ordern von Bauteilen unterbrochen wurde. Möglicherweise habe ich das wieder mal etwas übertrieben:
2000x 10µF capacitors on reel
2000 Stück 10µF-Elkos auf der Rolle
Banana for scale
Bei 2000 Stück für 2,50€ - wie will man da nein sagen?! 😅 Jedenfalls, als die Kondensatoren eingetroffen waren, konnte es mit der Laufwerksplatine endlich weiter gehen. Leider direkt mit einem Malheur - habe ich an einer Stelle doch beim Ablöten prompt die Kontaktflächen von der Platine mit abgerissen. 😱
Mistake to avoid when unsoldering electronic parts
Ja. Ganz genau. Gleich beide. Scheiße.
Wie peinlich! Wie behebt man so ein Unglück? Nun, man verfolgt die Leiterbahn bis zur nächsten Lötstelle, führt von dort eine Litze zum neuen Bauteil und ersetzt damit quasi die Leiterbahn samt verlustig gegangener Kontaktfläche. Die zweite Leiterbahn hier verschwindet allerdings unter dem Laufwerksmotor und ich hatte keine Lust, den jetzt auch noch auszubauen. Also wurde es an dieser Stelle noch fitzeliger und ich musste den Schutzlack vom Ende der Leiterbahn, dort wo die Kontaktfläche abgerissen war, weg kratzen um dann auf dieser haarfeinen Fläche das andere Pin des Kondensators anzulöten:
Mistake to avoid when unsoldering electronic parts
Da der Kondensator nun nur noch an einer winzigen Fläche an der Platine angelötet ist, habe ich ihn noch mit Sekundenkleber fixiert.
Besser ist es folglich, wenn man solche kleinen Desaster vermeidet. Hier meine Strategie dazu: ich kneife die kleinen Elkos mit einer Zange, heble sie von ihren Anschlussdrähten ab und kann dann die Anschlussdrähte einfach mit der Spitze des Lötkolbens sauber weg heben:
How to unsolder SMD capsHow to unsolder SMD caps How to unsolder SMD capsHow to unsolder SMD caps
Hätte ich gleich so machen sollen.
Bei größeren Elkos ist dies gleichwohl keine ratsame Vorgehensweise.
Das Gute an alter Technik ist ja, dass sie meist gut reparierbar ist und auch solche Missgeschicke verzeiht. Das Austauschen der Kondensatoren brachte jedenfalls das erhoffte Resultat und das Floppy-Laufwerk läuft wieder einwandfrei. Was ich jetzt mit den restlichen 1994 Stück 10µF-Kondensatoren mache, weiß ich aber auch noch nicht. 🤣
IBM Model 55SX
Das Laufwerk liest und schreibt wieder wie anno 1990.
Nach dem Download eines Abbilds einer IBM-Referenzdiskette, dem Aufspielen von Selbigen auf eine Floppy, Booten davon und Neuschreiben der Systemkonfiguration konnte ich dann auch schon den Rechner hochfahren und DOS starten. Die Zwischenschritte dabei, wenn man erst das passende IBM-Disketten-Image finden muss, dann ein Tool zum Beschreiben des Selbigen braucht, dann das Ganze auf den Win98-Rechner übertragen muss weil das Tool unter 64bit-Win10 nicht laufen will, dann herausfinden, wie das mit dem alten PS/2-Systemsetup überhaupt funktioniert, dann, und dann und dann ..., das habe ich dabei jetzt einfach mal unerwähnt gelassen. 🤪 Also wenn PS/2 den Anspruch hatte, es den Anwendern einfacher zu machen, dann wüsste ich jedenfalls gern, was IBM damals dazwischengekommen ist. 🙄 Und wo wir gerade bei nicht-so-einfach sind, da war ja noch die Sache mit dem Aufrüsten des Arbeitsspeichers. Das PS/2-Model 55SX hat zwei Slots für RAM. In einem steckt bereits ein 2MB-Modul. Laut Datenblatt sollten zwei 4MB-Module einbaubar sein. Aber nicht einfach irgendwelche, sondern wieder nur bestimmte Module mit bestimmtem Timing, die schon damals lackgesoffen teuer waren und heute quasi unauffindbar sind. Es gibt aber einen Trick, dem Rechner vorzugauckeln, dass ein richtiges RAM-Modul eingesteckt ist, indem man die Presence Detection (PD) Pins am Modul entsprechend modifiziert. Herumlöten am Arbeitsspeicher? Hab ich auch noch nie gemacht, also bin ich dabei! 😄 Um es mir ein bisschen bequemer zu machen, habe ich mir zwei 4MB-Module besorgt, bei denen die PD-Pins schon ab Werk über Drahtbrücken leicht veränderbar sind:
IBM PS/2 memory hack
Oben ein modifiziertes Modul mit Drahtbrücke, unten noch im Originalzustand.
Im Endeffekt erhält man so ein Speichermodul, welches eigentlich schneller arbeiten könnte, als es sich über seine PD-Pins ausgibt. Und der Rechner ist damit glücklich:
IBM Model 55SX with 8MB RAM
8 MB Arbeitsspeicher! Damals wäre das High End gewesen! 😎

Fazit

Was dem Rechner nun noch fehlen würde ist eine Soundkarte und ein verlässlicher Ersatz für die betagte Festplatte. Angesichts der schlechten Teileverfügbarkeit, geschuldet dem damaligen IBM-Sonderweg, und der umständlichen Systemkonfiguration weiß ich allerdings nicht so recht, ob ich überhaupt tiefer in die PS/2-Materie eintauchen will. Zumal es in der x86-Welt jede Menge besser verfügbare, günstigere und kompatiblere Alternativen mit ebenso hohem Vintage-Charme gibt. Sehr ähnliche Überlegungen müssen es wohl auch damals schon gewesen sein, die dazu geführt haben, dass sich die PS/2-Systeme nicht am Markt durchsetzen konnten.